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Erinnerung und Gedenken

Zu den zentralen Themen vieler meiner Forschungsprojekte gehören Erinnerung und Gedenken. Dabei vermeide ich nach Möglichkeit den unpräzisen und normativ überladenen Begriff der „Erinnerungskultur“. Stattdessen unterscheide ich zwischen (1) Erinnerung als Repräsentation in Form von Narrativen, Diskursen, Bildern und Symbolen, (2) Gedenkpraktiken und (3) der Hardware der Erinnerung – Denkmälern und anderen materiellen Erinnerungszeichen. Mit Gedenkpraktiken und Denkmälern beschäftige ich mich in den letzten Jahren besonders intensiv.

Meine Dissertation untersuchte unter anderem, wie das besondere sowjetische Verständnis von „Faschismus” in der UdSSR die gesellschaftlichen Reaktionen auf das Erscheinen ultranationalistischer Gruppen in der spätsowjetischen Öffentlichkeit prägte. Im Jahr 2005 war ich als Chefredakteur der Moskauer Zeitschrift „Neprikosnowennyj sapas“ Mitherausgeber eines gemeinsam mit der Berliner Zeitschrift „Osteuropa“ zusammengestellten Themenhefts zur Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg in Russland, Deutschland und Europa, das in der deutschen Fassung unter dem Titel „Kluften der Erinnerung: Rußland und Deutschland 60 Jahre nach dem Krieg“ erschien. Aufgrund des großen Erfolgs der russischen Ausgabe brachte ich den Sammelband anschließend in einer erweiterten Fassung als Buch heraus. Die öffentlichen Diskussionen zu diesem Buch brachten mich dazu, einige weit verbreitete Annahmen über das sowjetische und postsowjetische Kriegsgedenken kritisch zu hinterfragen und mich intensiv empirisch damit zu beschäftigen, sowohl in Archiven als auch mit den Methoden der ethnographischen Feldforschung. Meine Forschungsprojekte und Veröffentlichungen zu Erinnerung und Gedenken dokumentieren in diesem Bereich der Webseite die thematischen Abschnitte zu Kriegsdenkmälern, zu Geschichte und Gegenwart des (post-)sowjetischen Kriegsgedenkens und zum Umgang mit schwieriger Vergangenheit.

Im Jahr 2018 war ich Mitgründer von PoSoCoMeS, der Arbeitsgruppe der Memory Studies Association (MSA) zur postsozialistischen und komparativen Erinnerungsforschung. Die Arbeitsgruppe veröffentlicht regelmäßig einen umfangreichen Newsletter, sichtet Veröffentlichungen zu unseren Forschungsinteressen und beteiligt sich an der Planung der internationalen Kongresse der MSA. Im Jahr 2020 organisierte PoSoCoMeS gemeinsam mit dem Institut für Oral History der Republik Moldau im Online-Format die in Osteuropa bislang größte Memory Studies-Tagung. Viele der Vorträge sind nach wie vor auf dem YouTube-Kanal der Gruppe einsehbar. Dort veröffentliche ich zudem regelmäßig Interviews (in englischer bzw. russischer Sprache) mit Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Ländern. Im Sommer 2020 führten wir ein (bislang nur auf Russisch verfügbares) Webinar zur Oral History in den postsowjetischen Ländern durch. Für die Zukunft sind weitere Veranstaltungen dieser Art geplant.